Neues Screening auf Gebärmutterhalskrebs

Neues Screening auf Gebärmutterhalskrebs

Ein Kommentar von Ingrid Mühlhauser

Bildnachweis: Pap smear von Kat Masback, (CC BY-SA 2.0)

Mit 1. 1. 2020 startet in Deutschland das organisierte Screening auf Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom). Es soll ähnlich wie das Screening auf Darmkrebs nach dem Krebsfrüherkennungs‑ und ‑registergesetz ablaufen.

Bisherige Regelungen

Bisher zahlte die Gesetzliche Krankenversicherung eine jährliche Vorsorgeuntersuchung beim Frauenarzt/der Frauenärztin ab dem 20. Lebensjahr der Frau. Die Untersuchung bestand aus einem Gespräch mit der Frau zur Erhebung der Krankengeschichte, Ansehen und Abtasten der äußeren und inneren Geschlechtsorgane, ab dem 30. Lebensjahr zusätzlich Abtasten der Brust einschließlich Anleitung zur regelmäßigen Selbstuntersuchung.
Zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs gab es ab dem 20. Lebensjahr einmal pro Jahr den Zellabstrich aus dem Gebärmutterhals für den sogenannten PAP‑Test.
Eine Altersbegrenzung nach oben war nicht vorgesehen.

Das bisherige Verfahren zur Früherkennung von Zervixkarzinom hatte erhebliche Nachteile und war nicht sehr effizient. Es wurde sehr viel getestet und die Frauen erhielten viele Überdiagnosen und Übertherapien mit unnötigen Operationen an der Gebärmutter. Dennoch liegt Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern bei der Prävention von Gebärmutterhalskrebs nur im Mittelfeld.

Die Vorsorgeuntersuchungen in den Frauenarztpraxen wurden bisher nicht systematisch evaluiert. Es gibt einen hohen Grad an Intransparenz zur Qualität der ärztlichen Leistungen, obwohl die Europäischen Leitlinien ein qualitätsgesichertes Screening seit mehr als 10 Jahren als Standard festschreiben. In verschiedenen Ländern ist dies längst umgesetzt.

Was bleibt, was soll sich ändern?

Die Richtlinie zum neuen Screeningprogramm auf Gebärmutterhalskrebs findet sich auf der Website des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Sie definiert verbindliche Schritte der Früherkennung, Abklärung und Behandlung im Screeningprogramm.

Beibehalten wird die jährliche gynäkologische Untersuchung. Ebenso bleibt vorerst der jährliche PAP-Test für Frauen zwischen dem 20. und 34. Lebensjahr.

Ab dem 35. Lebensjahr gibt es jetzt aber statt des jährlichen PAP-Tests einen kombinierten Test alle 3 Jahre. Der kombinierte Test besteht aus einem HPV-Test und dem PAP-Test.

Die Frauen werden alle 5 Jahre von ihrer Krankenkasse eingeladen am Programm teilzunehmen.
Die Einladung erfolgt erstmals wenn die Frau 20 Jahre alt geworden ist und letztmalig mit 65 Jahren. Aber auch ohne Einladungsschreiben steht das neue Screeningprogramm nun allen Frauen ab dem 20. Lebensjahr offen.

Neu ist auch, dass das gesamte Programm qualitätsgesichert ablaufen soll. Beispielsweise muss vor einer operativen Behandlung eine sogenannte Kolposkopie zur Befundsicherung in einem zertifizierten Zentrum durchgeführt werden.

Es gibt jetzt auch eine sehr gute neue und evidenzbasierte Informationsbroschüre, die den Frauen helfen kann, eine informierte Entscheidung zu treffen, ob sie die Einladung zum Testen annehmen möchten oder nicht – oder ob sie eventuell erst zu einem späteren Zeitpunkt am Screening teilnehmen wollen.

Was wird besser werden?

Gut ist, dass eine Qualitätssicherung des Screenings vorgesehen ist und das Programm evaluiert werden soll. Allerdings ist Anfang Januar 2020 die Software für die systematische Dokumentation in den Arztpraxen noch nicht funktionsfähig.

Mit der Qualitätssicherung sollen die Strukturen und Prozesse in den Arztpraxen überprüfbar werden. Beispielsweise dürfen nur HPV-Tests eingesetzt werden, die nachweislich einen hohen Grad an Treffsicherheit haben. Das eingesetzte HPV-Testverfahren muss auf dem Befundblatt vermerkt werden.
Zudem sollen Verdachtsbefunde nach einem optimierten Plan abgeklärt werden. Dazu sollen die Frauen von besonders qualifizierten Ärzt*innen, in sogenannten Dysplasiezentren, untersucht und behandelt werden. Zur Befundsicherung soll eine Kolposkopie durchgeführt werden. Bei der Kolposkopie werden Gebärmuttermund und ‑hals mit einem Mikroskop (Lupen) näher untersucht und wenn angezeigt, eine Gewebeprobe zur Prüfung auf Krebsvorstufen entnommen. Auch die operative Behandlung soll nur mehr durch speziell weitergebildete Ärzt*innen unter Einsatz eines Kolposkops erfolgen. Das neue Verfahren soll garantieren, dass Frauen nicht zu schnell oder unnötig operiert werden. Auf diese Weise soll die Rate an unnötigen Konisationen reduziert werden.

Vorteilhaft ist auch, dass inzwischen die S3-Leitlinie zur Prävention des Zervixkarzinoms vorliegt, sodass es für die einzelnen Schritte zur Diagnose und Behandlung konsentierte Empfehlungen gibt.

Welche Schwächen hat das neue Programm?

Für das generelle jährliche Suchen nach Hinweisen auf Krebsvorstufen mit dem PAP-Test schon ab dem 20. Lebensjahr fehlt die wissenschaftliche Grundlage.
Auch wäre es sinnvoll gewesen, bei den Frauen ab 35 Jahre vorrangig den HPV-Test zu nutzen an Stelle des kombinierten Tests.
In anderen Ländern wird das schon seit einiger Zeit so praktiziert.
Die WHO empfiehlt ein Testen erst ab dem 30. Lebensjahr und dann nach Möglichkeit mit dem HPV-Test alle 3 bis 5 Jahre.
In verschiedenen anderen europäischen Ländern wird ebenfalls erst ab dem 30. Lebensjahr getestet, und die Untersuchungsintervalle liegen oft bei 5 Jahren oder sogar länger.

Die neuen Empfehlungen beruhen nicht ausschließlich auf wissenschaftlichen Fakten. Sie sind das Ergebnis langwieriger und teils heftiger Auseinandersetzungen unter den Berufsverbänden, Wissenschaftler*innen und anderen Interessenvertreter*innen. So haben verschiedene Fachgesellschaften für Zytologie und über einige Jahre auch der Berufsverband der Frauenärzte ihre Mitarbeit bei der Erstellung der S3-Leitlinie aufgekündigt. Es musste eine eigene unabhängige Expertengruppe zu Hilfe gerufen werden, um ein Verfahren zum Ausgleich der Interessenkonflikte zwischen den Expert*innen und den Berufsgruppen zu finden. Schließlich ist die Leitlinie ebenso wie die Richtlinie des G-BA zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs das Ergebnis einer ganzen Reihe von Kompromissen.

Für Zytologische Zentren und Frauenarztpraxen macht das jährliche Testen von gesunden Frauen einen erheblichen Anteil des Umsatzes und Einkommens aus. Es gab daher heftigen Widerstand gegen eine Anhebung des Alters der Frauen für den Beginn des Testens, eine Verlängerung der Screening Intervalle, sowie eine generelle Reduzierung der PAP-Tests, auch wenn dies aufgrund der wissenschaftlichen Fakten im Sinne des Patientinnenwohls angezeigt gewesen wäre.

Soll eine junge Frau am neuen Screening teilnehmen?

Bei jungen Frauen ist Gebärmutterhalskrebs so selten, dass das jährliche Testen für die Gruppe der Frauen insgesamt immer mehr Schaden als Nutzen nach sich zieht.

Weniger als 1 von 1000 Frauen entwickelt vom 20. bis zum 30. Lebensjahr einen Gebärmutterhalskrebs. Selbst mit einem sehr guten Test-Verfahren würde man nach wissenschaftlichen Kriterien von einem Screening abraten. Neben der Seltenheit der Krebserkrankung sprechen auch die Nachteile der verfügbaren Testverfahren gegen jährliche Reihenuntersuchungen in dieser Altersgruppe.

Der HPV-Test sollte bei Frauen, die jünger als 30 Jahre sind, zum Screening gar nicht eingesetzt werden, da er sehr häufig positiv ausfällt, obwohl keine Krebsgefährdung besteht. Der Test zeigt an, dass eine Infektion mit HPV vorliegt. Infektionen mit HP Viren sind in diesem Alter häufig. Meist bleiben die Infektionen unbemerkt und heilen fast immer von alleine und vollständig aus. Nur wenn die Infektion fort besteht und sich eine chronische Entzündung entwickelt, kann der HPV-Test ein Hinweis auf die Entwicklung von Krebsvorstufen sein.

Der PAP-Test ist ebenfalls in diesem Alter wenig hilfreich. Zu oft findet er veränderte Zellen, obwohl keine Krebsvorstufen zu finden sind. Andererseits sind die Ergebnisse oft normal, obwohl sich Krebsvorstufen entwickelt haben.

Spielt der PAP-Test noch eine Rolle?

Der PAP-Test hat sicher dazu beigetragen, Gebärmutterhalskrebs während der letzten 50 Jahre zu reduzieren. Das häufige Testen hat aber auch seine Schattenseiten.

Viele Frauen, die niemals an Gebärmutterhalskrebs erkrankt oder gestorben wären, wurden unnötig operiert. Die Entfernung des veränderten Gewebes am Gebärmutterhals ist nicht harmlos. Wenn eine Frau Kinder bekommen möchte, kann es infolge der Operation eher zu einer Frühgeburt kommen.

Das häufige Testen führt auch zu zahlreichen sogenannten falsch positiven Befunden. Das heißt der Test ist positiv, obwohl keine ernsthafte Gewebeveränderung vorliegt. Es folgen dann weitere Untersuchungen zur Abklärung, bis Entwarnung gegeben werden kann. Das kann sehr belastend für die betroffenen Frauen sein.

Es ist eine Einladung zur Teilnahme, keine Vorladung!

Wichtig ist es, sich vorab gut zu informieren, wie hoch das persönliche Risiko in den nächsten 10 Jahren an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken ist. Diese Informationen finden sich in den neuen Broschüren.

Wie viele Unannehmlichkeiten ist Frau bereit, auf sich zu nehmen? – jährliches Testen und Untersuchen beim Frauenarzt/bei der Frauenärztin, möglicherweise ein falsch positives Ergebnis mit weiteren Untersuchungen zur Abklärung der Befunde, möglicherweise, wenn auch selten, eine unnötige Operation an der Gebärmutter.

Hundertprozentige Sicherheit gibt es mit keinem Testverfahren.

Solange eine Frau keine Sexualkontakte / keinen Geschlechtsverkehr hatte, kann sie davon ausgehen, nicht mit HP Viren infiziert zu sein.

Auch wenn ein Mädchen oder eine Frau vor dem ersten Geschlechtsverkehr gegen HPV geimpft wurde, hat sie ein sehr niedriges Risiko für eine Infektion.

Die meisten Infektionen mit HPV heilen von alleine innerhalb von 2 Jahren aus, nur wenige werden zu chronischen Entzündungen. Das passiert eher, wenn die Frau zahlreiche wechselnde Geschlechtspartner hat – und diese wiederum – unterschiedliche Partnerinnen hatten. Auch Zigarettenrauchen soll das Ausheilen einer Infektion erschweren.

Erst wenn HPV-Infektionen chronisch werden und über viele Jahre bestehen bleiben, können sich Krebsvorstufen entwickeln. Auch Krebsvorstufen können sich, vor allem bei geringer Ausprägung, wieder zurückbilden. Wenn sich der Befund verschlechtert, kann aus den Krebsvorstufen nach weiteren Jahren ein invasiver Gebärmutterhalskrebs entstehen. Man schätzt, dass es etwa 10 Jahre dauern kann, bis aus einer Infektion ein Krebs entsteht.

Es ist also weder sinnvoll noch notwendig für gesunde beschwerdefreie Frauen jährlich zum Frauenarzt zu gehen. Vor allem für geimpfte Frauen und für solche, die nicht schon in sehr jungem Alter Geschlechtsverkehr hatten, kann mit gutem Gewissen die Einladung zur Teilnahme am jährlichen PAP Test zur Seite gelegt werden.

Einige Jahre nach dem ersten Geschlechtsverkehr kann mit einem HPV-Test festgestellt werden, ob eine Infektion noch besteht oder die HPV Infektionen schon ausgeheilt sind. Ist der Test negativ, also zeigt er an, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Infektion mehr vorliegt, reicht es, einen weiteren Test erst wieder nach 5 Jahren durchführen zu lassen.

Wie sinnvoll sind die übrigen Vorsorgetests in der Frauenarztpraxis?

Für das routinemäßige jährliche Untersuchen der äußeren und inneren Geschlechtsorgane der Frau mit Abtasten des Bauchs und des Beckens über die Vagina durch die Frauenarzt*in gibt es keine wissenschaftliche Grundlage. Solange sich eine Frau gesund und beschwerdefrei fühlt, sie keine sichtbaren Anzeichen für eine Krankheit hat, ist der jährliche Check-up bei der Frauenärzt*in wissenschaftlich nicht begründbar.

Für das Selbstabtasten der Brust zum Aufspüren von Brustkrebs gibt es sogar aussagekräftige Studien, die einen Nutzen nicht nachweisen konnten, die jedoch zeigten, dass es falsche Verdachtsbefunde und unnötige Abklärungsoperationen gibt.

Untersuchungen an gesunden Menschen sind nicht harmlos. Allzu oft werden Verdachtsbefunde erhoben, die zu Verunsicherung führen und nicht selten weitere Untersuchungen zur Abklärung der Befunde und zur Kontrolle nach sich ziehen.

Ultraschalluntersuchungen und andere IGeL-Angebote

In deutschen Frauenarztpraxen werden zudem häufig medizinische Tests und Behandlungen als IGeL (sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen) zum Verkauf angeboten. Diese Untersuchungen sind nicht ratsam. Die Krankenversicherungen in Deutschland zahlen alle notwendigen und nützlichen Tests und Behandlungen. Es werden sogar mehr Leistungen bezahlt als aus wissenschaftlicher Sicht angezeigt wäre. So wird die jährliche körperliche Untersuchung bei der Frauenärzt*in bezahlt, obwohl ein Nutzen dieser Maßnahme nicht gesichert ist.

Auch die oft als IGeL angebotenen Ultraschalluntersuchungen der Brust und der Eierstöcke haben keinen Nutzen, wenn sie zum Screening eingesetzt werden. Es fehlen Belege, dass sie die Krebssterblichkeit von Brustkrebs und Eierstockkrebs vermindern könnten, das Testen führt jedoch zu falschen Befunden und unnötigen Operationen.

Auch jungen Frauen sollten HPV-Tests nicht als IGeL angeboten werden.

Bestehen hingegen Beschwerden, können diese Testverfahren sinnvoll sein. Die Kosten dafür werden dann immer von den Krankenkassen übernommen.

Die informierte Entscheidung

Alle Bürger*innen, die zur Teilnahme an einem Vorsorge- bzw. Krebsfrüherkennungsprogramm eingeladen werden, haben ein ethisch und juristisch verbrieftes Recht auf eine informierte Entscheidung. Dazu müssen qualitativ hochwertige, d.h. wissenschaftsbasierte, unabhängige, vollständige und verständliche Informationen zum möglichen Nutzen und Schaden der medizinischen Untersuchungen vorgelegt werden. Ein Gespräch mit dem Arzt/der Ärztin vor der Entscheidung zu einer Untersuchung, um offene Fragen abzuklären, ist ausdrücklich vorgesehen.

Das Konzept zur Evaluation des Screeningprogramms auf Gebärmutterhalskrebs sieht entsprechend auch eine Überprüfung dieses Aufklärungsprozesses vor. Die Frauen haben das Recht, die Untersuchung ohne irgendwelche Nachteile abzulehnen oder erst zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen.

Die Informationsbroschüre für das Screeningprogramm entwickelte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Die Materialien stehen über deren Gesundheitsinformationsseite und über die Website des G-BA zur Verfügung. Es gibt eine Version für Frauen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren und eine andere für Frauen ab dem 35. Lebensjahr. Die Broschüren sind auch über die Website des G-BA zu finden.

Download

Neues Screening auf Gebärmutterhalskrebs (pdf) von Ingrid Mühlhauser

Mehr zum Thema

Deutschlandfunk Nova Interview zum neuen Screening mit Ingrid Mühlhauser: Podcast zum Nachhören 

 

 

 

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