Menopausale Hormontherapie (MHT) erhöht das Brustkrebsrisiko

Menopausale Hormontherapie (MHT) erhöht das Brustkrebsrisiko

Kommentar des „Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e.V.“ (AKF) zum Brustkrebsrisiko bei Hormontherapie von Frauen in den Wechseljahren

von Dr. Maria Beckermann

Anlass des Kommentars ist die aktuelle Studie zum Brustkrebsrisiko unter menopausaler Hormontherapie (MHT) von Valerie Beral et al. Type and timing of menopausal hormone therapy and breast cancer risk: individual participant meta-analysis of the worldwide epidemiological evidence, die im September 2019 im Lancet erschien (Beral 2019).

Die Arbeit untersucht alle Studien weltweit von 1992 bis 2018, die den Zusammenhang von Hormontherapie und Brustkrebs analysiert haben. Sie umfasst auf diese Weise 143.000 Frauen mit Brustkrebs, davon 108.000 in prospektiven Studien. Randomisierte Studien wurden separat dargestellt. Beobachtungsstudien beweisen zwar keine Kausalzusammenhänge, aber die großen Fallzahlen und die akribischen Berechnungen, die die Forscher*innen angestellt haben, um Verzerrungen zu vermeiden, können doch verschiedene Hypothesen zur menopausalen Hormontherapie entkräften oder zumindest in Frage stellen.

Bislang haben wir zuverlässige Erkenntnisse zum Brustkrebsrisiko hauptsächlich aus der Women’s Health Initiative (WHI)-Studie bezogen. Diese randomisierte Studie war konzipiert, um zu erforschen, ob eine Hormontherapie langfristig vor Herz-Gefäß-Krankheiten schützt. Es wurden hauptsächlich ältere Frauen – Durchschnittsalter 63 Jahre – in die WHI-Studie aufgenommen. Sie wurde 2002 wegen erhöhtem Brustkrebsrisiko in der Hormongruppe abgebrochen (WHI 2002). Die letzte umfassende Metaanalyse aller randomisierten Studien zur menopausalen Hormontherapie publizierten Gartlehner et al. im Dezember 2017 (Gartlehner 2017). Demnach müssen 43 auf 10.000 Frauen pro Jahr unter kombinierter Östrogen-Gestagen-Hormontherapie mit einer Brustkrebsdiagnose rechnen. Das sind 9 auf 10.000 Frauen pro Jahr mehr als bei den Frauen, die keine Hormone anwenden.

Seit etwa 10 Jahren versuchen Wissenschaftler*innen zu berechnen, ob die Risiken für jüngere Frauen von etwa 50 Jahren – also dem Alter, wo die meisten Frauen in die Wechseljahre kommen und gegebenenfalls mit einer MHT anfangen – mit denen der älteren Frauen vergleichbar sind. Das gibt die WHI-Subgruppenanalyse aber nicht her, weil zu wenig jüngere Frauen an der WHI-Studie teilgenommen hatten. So blieben alle Ergebnisse der Altersgruppe 50-59 Jahre ohne statistische Signifikanz (Manson 2013).

Einige offene Fragen kann die aktuelle Studie von Beral im Lancet nun in Bezug auf das Brustkrebsrisiko beantworten. Die erfassten Frauen mit Brustkrebs waren mit durchschnittlich 50 Jahren in die Wechseljahre gekommen und hatten mit durchschnittlich 50 Jahren mit einer MHT begonnen.

Die Ergebnisse der aktuellen Studie bestätigen, dass die Risiken für Brustkrebs bei einer  menopausalen Hormontherapie anderen Gesetzmäßigkeiten folgen als die Risiken für Herz-Gefäß-Krankheiten.

Informationen über Herz-Gefäß-Krankheiten haben wir hauptsächlich aus der WHI-Studie, aber auch aus einigen neueren randomisierten Studien sowie aus Beobachtungsstudien. Herz-Gefäß-Krankheiten, insbesondere Thrombosen und Embolien, aber in gewissem Maße auch Herzinfarkte und Schlaganfälle, treten gehäuft in den ersten zwei Jahren der Hormoneinnahme auf. Danach bleiben die Risiken leicht erhöht, solange die Hormone eingenommen werden. Nach dem Absetzen geht das Risiko innerhalb weniger Jahre wieder auf das Ausgangsrisiko zurück. Eine Hormonbehandlung mit Östrogenen allein (nur für Frauen, die keine Gebärmutter mehr haben) hat auch ein Risiko für Thrombosen und Embolien, sowie für Schlaganfälle, wenn auch kein so hohes wie eine kombinierte Östrogen-Gestagen-Therapie. Eine transdermale Hormonbehandlung (Hormonpflaster) ist mit einem deutlich niedrigeren Risiko für Thrombosen und Embolien, und möglicherweise auch für Schlaganfälle, verbunden als eine orale Therapie. Ältere Frauen über 60 Jahre haben sowieso ein höheres Ausgangsrisiko für Herz-Gefäß-Krankheiten als jüngere Frauen zwischen 40 und 60 Jahren. Ob das durch eine menopausale Hormontherapie bedingte Zusatzrisiko für jüngere Frauen geringer ist als für ältere Frauen, ist nicht sicher geklärt.

Das Wissen über Brustkrebs wird durch die aktuelle Studie von Beral um folgende detaillierte Ergebnisse erweitert.

  1. Einfluss der Therapiedauer: Das Brustkrebsrisiko ist nicht oder kaum erhöht für Frauen, die kürzer als 1 Jahr lang Hormone einnehmen. Es nimmt mit der Dauer der Einnahme zu. Nach dem Absetzen einer fünfjährigen MHT bleibt das Risiko mehr als 10 Jahre lang erhöht. Zusätzliche 2 von 100 Frauen, die 5 Jahre lang eine kombinierte Hormontherapie einnehmen, bekommen im Verlaufe von 20 Jahren durch die MHT Brustkrebs (8,3 von 100 Frauen mit kontinuierlicher Östrogen-Gestagen-Hormontherapie statt 6,3 von 100 Frauen ohne Hormone). Die Hälfte tritt unter der Hormoneinnahme auf, die andere Hälfte in den 15 Folgejahren. Die Abhängigkeit des Risikos von der Dauer der Einnahme ist bekannt, aber sie stellt sich in der aktuellen Studie pointierter dar als in der WHI-Studie.
  2. Einfluss des Alters zu Therapiebeginn: Das Brustkrebsrisiko von Frauen nimmt zwischen 40 und 70 Jahren generell mit dem Älterwerden zu. Das zusätzliche Risiko durch eine Hormoneinnahme ist für ältere Frauen über 60 Jahre geringer als für jüngere Frauen zwischen 40 und 60.
    Die Frauen, die bei Beginn einer MHT zwischen 30 und 39 Jahre sind und die Hormone länger als 15 Jahre lang einnehmen, haben sowohl unter Östrogen-Gestagen-Therapie als auch unter Östrogen alleine ein stark erhöhtes Brustkrebsrisiko (RR 2.50 CI 1.93-3.23 bzw. RR 1.71 CI 1.49-1.97). Das wirft Fragen auf zur Hormonbehandlung von Frauen mit vorzeitigen Wechseljahren. Sie gelten bisher als eine Gruppe, die von einer (langjährigen) Hormontherapie profitiert. Die Datenlage dazu ist dürftig. Die Behandlungsempfehlungen müssen neu überdacht werden, denn auch für diese Gruppe gilt, dass das Brustkrebsrisiko mit der Dauer der Einnahme steigt.
  3. Einfluss des Body-Mass-Index (BMI): Übergewichtige Frauen haben nach der Menopause ein etwas höheres Ausgangsrisiko für Brustkrebs als schlanke Frauen. Das zusätzliche, durch Hormoneinnahme bedingte, Risiko ist jedoch für übergewichtige Frauen geringer als für schlanke Frauen. Insgesamt bleibt das Risiko für übergewichtige Frauen, die keine Hormone nehmen, deutlich unter jenem für Frauen mit MHT, selbst wenn diese schlank sind.
  4. Art der Hormone, Behandlungsschema und Applikationsmodus: Die Art der Hormone beeinflusst das Brustkrebsrisiko wenig oder gar nicht. So ist das Risiko unabhängig davon, ob Östradiol oder equine Östrogene (Östrogene aus dem Harn trächtiger Stuten) verordnet werden.

Auch die Art des Gestagens macht keinen Unterschied. Das Risiko ist für alle Gestagenarten gleich. Mikronisiertes Progesteron wurde allerdings nur in 50 Fällen eingesetzt (bei 5-14 Jahren Einnahme von E+MP RR 2.08 CI 1.19-3.06).

Auch Frauen, die nur Östrogene einnehmen, haben – abweichend von den Ergebnissen der WHI-Studie – ein erhöhtes Brustkrebsrisiko, allerdings niedriger als unter einer kombinierten Östrogen-Gestagen-Therapie. Zusätzlich 1 von 200 Frauen (6,8 von 100 Frauen mit Östrogenen statt 6,3 von 100 Frauen ohne Hormone), die 5 Jahre lang Östrogene einnimmt, bekommt durch die MHT im Verlaufe von 20 Jahren Brustkrebs.

Bei einer durchschnittlichen Einnahmedauer von 9 Jahren ist das Risiko erhöht, wenn die Gestagene täglich genommen werden im Vergleich zur sequentiellen Behandlung an 10-14 Tagen im Monat. Ob der Unterschied auch bei kürzeren Behandlungszeiten zum Tragen kommt, wurde nicht beschrieben.

Eine transdermale Hormontherapie (Aufnahme von Hormonen über die Haut, z.B. mittels Pflaster oder Gel, welches in die Haut einmassiert wird) hat ein ebenso hohes Brustkrebsrisiko wie Hormontabletten.

Die Abhängigkeit des Risikos von der Hormondosis wurde nicht systematisch untersucht. In den Fällen, in denen die Dosierung angegeben war, wurden keine Risikounterschiede gefunden.

Auch eine reine Gestagentherapie ist mit einem Risikoanstieg verbunden.

Eine lokale Scheidenbehandlung mit Östrogenen erhöht das Risiko hingegen nicht. Es wurde aber weder zwischen niedrig und hoch dosiertem Östrogen noch zwischen dem schwach wirksamen Östriol und dem stark wirksamen Östradiol unterschieden.

Was bedeutet das für die Praxis

Die Ängste vieler Frauen vor einem erhöhten Brustkrebsrisiko bei menopausaler Hormoneinnahme sind berechtigt. Frauenärzt*innen sollten sie nicht – wie der Berufsverband der Frauenärzte – bagatellisieren. Von entscheidender Bedeutung ist es, den Frauen diese Risikoinformationen verständlich zu vermitteln.

Es gelten weiterhin die Behandlungsprinzipien:

Indikation: starke Wechseljahresbeschwerden mit Hitzewallungen und Schweißausbrüchen

Dauer: möglichst kurz (möglichst nur bis zu 1 Jahr). Mehr als 5 Jahre menopausaler Hormonbehandlung sind mit einem deutlich erhöhten Brustkrebsrisiko verbunden.

Die meisten Frauen nehmen länger als 1 Jahr lang Hitzewallungen wahr. Es ist also wichtig, andere Bewältigungsstrategien einzusetzen als nur die menopausale Hormontherapie (MHT). Dafür sind kognitive und Achtsamkeits-basierte Verhaltenstherapien geeignet (van Driel 2018).

Literatur

  1. Beral V, Peto E, Pirie K, Reeves G for the Collaborative Group on Hormonal Factors in Breast Cancer: Type and Timing of Menopausal Hormone Therapy and Breast Cancer Risk: Individual Participant Meta-Analysis of the Worldwide Epidemiological Evidence. The Lancet 2019; 394,10204:1159-1168. https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(19)31709-X/fulltext.
  2. Writing Group for the Women’s Health Initiative Investigators: Risks and Benefits of Estrogen Plus Progestin in Healthy Postmenopausal Women: Principal Results From the Women’s Health Initiative Randomized Controlled Trial. JAMA 2002;288:321-33. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12117397
  3. Gartlehner G, Patel S, Feltner C, Weber R, Long R, Mullican K, et al.: Hormone Therapy for the Primary Prevention of Chronic Conditions in Postmenopausal Women. Evidence Report and Systematic Review for the US Preventive Services Task Force. JAMA 2017;318(22):2234-49. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29234813
  4. Manson J, Chlebowski R, Stefanick M, Aragaki A, Rossouw J, Prentice R, et al.: Menopausal Hormone Therapy and Health Outcomes During the Intervention and Extended Poststopping Phases of the Women’s Health Initiative Randomized Trials. JAMA. 2013;310:1353-68. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24084921
  5. van Driel C, Stuursma A, Schroevers M, Mourits M, de Bock G. Mindfulness, Cognitive Behavioural and Behaviour-Based Therapy for Natural and Treatment-Induced Menopausal Symptoms: a Systematic Review and Meta-Analysis. BJOG [Internet]. 2018. https://obgyn.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1111/1471-0528.15153

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