Qualitätsminderung der frauenärztlichen Versorgung in Praxen durch das TSVG

Qualitätsminderung der frauenärztlichen Versorgung in Praxen durch das TSVG

Stellungnahme der Fachgruppe der Gynäkologinnen im Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e. V.

Die Gynäkologinnen des AKF kritisieren das schnellst durchgesetzte TSVG (Terminservice- und Versorgungsgesetz), das wir als unzureichenden Kompromiss der Koalition zur Vermeidung der überfälligen Einführung einer Bürgerversicherung ansehen. Es zeugt von wenig Fachkenntnis und ist nur auf Effekthascherei angelegt.

Nicht von der Hand zu weisen sind die augenblicklichen Missstände im Gesundheitswesen:

  • Kassenpatient*innen müssen häufig zu lang auf Facharzttermine warten
  • Privatpatient*innen werden meist schneller, umfangreicher und teurer ärztlich (über-)versorgt
  • es gibt auch im Bereich der GKV teilweise eine Terminblockade durch unnötige Untersuchungen
  • die sprechende, sowie eine gründliche Medizin wird nicht honoriert und deshalb oft vernachlässigt

Mit seinen dirigistischen Maßnahmen wird das TSVG aber mitnichten zur Lösung der Probleme einer zweigleisigen ärztlichen Versorgung beitragen und insbesondere nicht zu einer qualitativen Verbesserung der Behandlung von Kassenpatient*innen.

Wir möchten nachfolgend die wichtigsten Einzelmaßnahmen kritisch beleuchten:

1. „5 offene Sprechstunden“

Diese ungeregelte Öffnungszeit kann einerseits zu völlig überfüllten Sprechstunden führen, die ärztliches Personal und Ärzt*innen überlasten und die Versorgungsqualität mindern. Zu anderen Zeiten kommt es sicherlich auch zu teurem Leerlauf.
Zeitlich fixierte offene Sprechstunden sind oft auch für berufstätige Patientinnen, insbesondere Frauen mit Kindern, gerade nicht erreichbar.
Besser ist die flexible, gezielte Vergabe von dringenden Terminen durch die fachlich geschulten MFA (Medizinische Fachangestellte) der Praxen, wie sie derzeit üblicherweise praktiziert wird.

2. „Terminvereinbarungen über 116117, auch nachts“

Abgesehen von Notfällen ist eine 24-Stunden-Terminvergabe über die Terminservicestelle (TSS) unsinniger organisatorischer Aufwand und Verschwendung von ohnehin knappen Ressourcen, was voraussichtlich zu weiterem Absinken der niedrigen Regelfallwerte führt. Eine fachlich adäquate Triage für verschiedene Fachärzt*innen durch ein sogenanntes „standardisiertes Verfahren“ bezweifeln wir.

3. „Monetäre Anreize für Hausarztüberweisungen, neue Patienten und TSS-Behandlungen“

Maßnahmen wie die Zahlung von 10 € an Hausärzt*innen für dringende Überweisungen zur/m Fach*ärztin und Entbudgetierung bzw. zusätzliche Honorierung von Notfallpatientinnen, solchen mit TSS-Termin, solchen in offenen Sprechstunden oder sog. neuen Patientinnen, mögen zunächst positiv klingen. Und natürlich ist eine (Notfall-)Versorgung aller Patientinnen sicherzustellen.
Wir befürchten aber, dass die Regelungen des TSVG zu unsinnigen Absprachen aus monetären Gründen, zu Drehtürmedizin und Doktorhopping führen.

4. Mindestsprechstundenzeit auf 25 erhöht

Es erscheint uns juristisch höchst fragwürdig, so grundlegende Vertragsbedingungen wie die Mindestsprechstundenzahl von 20 im Nachhinein zu ändern. Da die meisten Gynäkolog*innen wöchentlich schon mehr als 25 Sprechstunden für ihre Patientinnen öffnen, wird diese Regelung in der Gesamtversorgung keinerlei Vorteil bringen.
Für Ärzt*innen mit Kindern jedoch, die bereits in einen ganzen Kassensitz investiert und ihre Altersvorsorge darauf basiert haben, ist diese Aufstockung um 25 % zzgl. Zeitaufwand für Verwaltung und Fortbildung aber u. U. nicht zu bewältigen. Ihnen drohen Sanktionen und finanzieller Verlust. Insofern ist das Gesetz familienfeindlich.

Fazit

Eine qualitätsvolle, ganzheitliche, kontinuierliche, Leib und Seele umfassende Grundversorgung von Frauen wird durch das TSVG nicht gefördert.
Honoriert wird nur Quantität, nicht aber die Qualität der gynäkologischen Versorgung.
Nicht nur Ärzt*innen sondern v. a. auch den organisierenden Medizinischen Fachangestellten wird sinnlose Mehrarbeit und zusätzliche Arbeitsverdichtung aufgebürdet.
Die vorhandenen knappen Ressourcen werden sinnlos vergeudet.
Schon jetzt bilden Frauenärzt*innen das Schlusslicht bei der Honorierung durch die gesetzlichen Krankenkassen (Regelleistungsvolumen von 19,55 € im IV. Quartal 2018 in Nordrhein). Es werden Sitze aus Praxen der Grundversorgung zunehmend an lukrativere Spezialpraxen verkauft, sodass ein Mangel in der gynäkologischen Basisversorgung mit Terminknappheit resultiert.
Durch das TSVG wird die Niederlassung in einer gynäkologischen Praxis zunehmend unattraktiv. Es wird zu zahlreichen Schließungen von Praxen führen, für die sich keine Nachfolger*innen finden.
Es ist zu befürchten, dass sich die Versorgung unserer Patientinnen durch das TSVG zunehmend verschlechtert.

Wir fordern die Streichung des TSVG.

 

Download

Stellungnahme der Fachgruppe der Gynäkologinnen im Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e. V. vom 4.06.2019: Qualitätsminderung der frauenärztlichen Versorgung in Praxen durch das TSVG (pdf)

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