Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz

Berlin, den 01.02.19

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz

 

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Barley,

danke für die Einladung zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch vom 28.1.2019 Stellung zu nehmen.

Der Arbeitskreis für Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e. V. (AKF) nimmt dazu wie folgt Stellung:

Der Entwurf sieht einen Ausnahmetatbestand im neuen Absatz 4 des § 219a vor und das Schwangerschaftskonfliktgesetz wird geändert.

Wie schätzt der AKF diesen Entwurf ein?

  • Der Entwurf benennt die legitimen Interessen der Frauen auf Information sowie der ÄrztInnen auf Rechtssicherheit.
  • Selbsternannte Lebensschützer können ÄrztInnen dafür, dass sie auf ihren Webseiten angeben, Abbrüche durchzuführen, nicht mehr anzeigen.
  • Der Entwurf betont die Fürsorgepflicht des Bundes in der Informationsvermittlung von Adressen durchführender ÄrztInnen. Weil die Länder dies uneinheitlich handhaben, gibt es große regionale Unterschiede in der Informationsvermittlung, die nun bundesweit geregelt werden soll.

Problematisch bleibt:

  • Die Bundesrepublik Deutschland verstößt mit dem § 219a auch bei Hinzufügung eines neuen Ausnahmetatbestandes mit Absatz 4 gegen den UN-Sozialpakt (siehe Artikel 18, 28, 34, 40, 41, 45, 57 und 59), der den Informationszugang über Schwangerschaftsabbruch als Teil des Rechts auf sexuelle und reproduktive Gesundheit der Menschenrechte festlegt und Reformen restriktiver Gesetze zum Schwangerschaftsabbruch einfordert.
  • Ärztinnen, Ärzte, Krankenhäuser dürfen ohne Strafverfolgung öffentlich darüber informieren, dass sie Abbrüche anbieten. ÄrztInnen dürfen auf ihren Webseiten nach wie vor keine Informationen über die Methode und den Ablauf des Schwangerschaftsabbruchs in ihrer Einrichtung
    geben. Dies steht im Widerspruch zum Grundrecht auf freie Berufsausübung und der Notwendigkeit einer ärztlichen Aufklärungspflicht. Der Entwurf benennt unrichtig, dass eine Streichung des § 219a das Anpreisen oder die grob anstößige Werbung für Schwangerschaftsabbrüche straffrei stellen würde. Bereits jetzt verbieten ärztliche Berufsordnungen Werbung. Sie sind ein ausreichender gesetzlicher Rahmen für die Gestaltung von ärztlichen Webseiten.
  • Weitere Informationen über Abbruchmöglichkeiten sind Einrichtungen von Land und Bund, der Bundesärztekammer und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) vorbehalten, die eine bundesweite Liste der Adressen führen, wo Frauen Schwangerschaftsabbrüche erhalten können. Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenhäuser und Einrichtungen werden nur dann in der Liste aufgeführt, wenn sie der Bundesärztekammer mitteilen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. In Anbetracht von Protesten von Abtreibungsgegnern werden nicht alle Ärzte und Ärztinnen der Bundesärztekammer melden, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Die Liste wird daher unvollständig sein.
  • Frauen benötigen einen niedrigschwelligen und leichten Zugang zu Informationen zum Schwangerschaftsabbruch, zu Methoden und Ablauf in der Praxis oder Klinik. Frauen werden weiterhin für zu unmündig gehalten, um mit Informationen auf den Webseiten von ÄrztInnen verantwortlich umzugehen.
  • ÄrztInnen dürfen auf ihren Webseiten nach wie vor keine umfassenden neutralen Informationen über die Methode im Kontext mit dem Ablauf des Schwangerschaftsabbruchs in ihrer Einrichtung geben. Dies steht im Widerspruch zum Grundrecht auf freie Berufsausübung. Der Entwurf meint, nur mit der Beibehaltung des § 219a das Anpreisen oder die grob anstößige Werbung für Schwangerschaftsabbrüche unterbinden zu können. Strafgesetze dürfen nur dann erlassen werden, wenn es kein anderes Mittel zum Schutz des Rechtsgutes gibt. Bereits jetzt verbieten ärztliche Berufsordnungen strikt die unzulässigen Formen von Werbung. Sie sind ein ausreichender gesetzlicher Rahmen für die Gestaltung von ärztlichen Webseiten.
  • Der Entwurf betont den „Schutz des ungeborenen Lebens“. Diesen regelt bereits der § 218 und der § 219 StGB. Für Rechtsgüterschutz bedarf es daher keines § 219a. Die Behauptung, der § 219a schütze „ungeborenes Leben“ ist durch wissenschaftliche Untersuchungen nicht belegt. Explizit nennt der Entwurf unter 6. Weitere Gesetzesfolgen: „Demografische Auswirkungen sind nicht zu erwarten.“
  • Der AKF setzt sich für kostenlose Verhütungsmittel ein. Doch scheint die Anhebung der Altersgrenze von 20 auf 22 Jahre willkürlich.

Der AKF ist der Auffassung, dass der vorliegende Entwurf seine formulierten Ziele nicht erreicht:
ÄrztInnen, die auf ihren Webseiten weitergehende Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen geben, haben weiterhin keine Rechtssicherheit. Frauen wird es auch zukünftig schwierig gemacht, wohnortnah und niedrigschwellig die für sie notwendigen, umfassenden Informationen zum Schwangerschaftsabbruch in den verschiedenen Einrichtungen zu erhalten. Der Gesetzentwurf zur Reform des §219a steht im Widerspruch zum Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Er schränkt ihr Informationsrecht unnötig ein und ist nicht mehr zeitgemäß.

Die Forderung des AKF bleibt daher: Der § 219a StGB muss gestrichen werden.

 

Prof. Dr. med. Ingrid Mühlhauser                                                         Sylvia Groth
Vorsitzende                                                                                             Mitglied des Vorstands

Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e. V., Berlin

Download

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (pdf)

Weitere Stellungnahmen

Die Stellungnahmen der verschiedenen Organisationen zum Gesetzentwurf finden Sie unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Information_Schwangerschaftsabbruch219a.html

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